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Auf onkologische Chemotherapien geht noch immer eine große Zahl von Nebenwirkungen zurück, von denen Krebspatienten berichten. An erster Stelle stehen Übelkeit und Erbrechen. Zwar hat die Medizin inzwischen auch hier beachtliche Erfolge aufzuweisen, namentlich seit Einführung der Histaminantagonisten.
Dennoch stellen Übelkeit und Erbrechen für viele Krebspatienten noch immer eine beträchtliche Einschränkung ihrer Lebensqualität dar. Zu Recht fordern daher Experten und Betroffene verstärkt nicht-pharmakologische Alternativen.
Nadelpunkt KS 6 wirksam und leicht zu finden
Zu diesen Alternativen gehört z.B. die Akupunktur, die sich auch auf Gebieten jenseits von Schmerzen wachsender Popularität und Nachfrage erfreut. So wird der Akupunkturpunkt KS 6 mit großem Abstand vor Le 3 am häufigsten gegen Übelkeit und Erbrechen infolge von Chemotherapien verwendet. Er befindet sich an der Vorderseite der Handwurzel zwei Daumenbreit oberhalb der Beugefalte. Da er leicht zu erreichen ist, kann er sowohl durch klassische und Elektroakupunktur, als auch durch Akupressur gereizt werden.
Wie Vergleichsmessungen ergaben, zeigen nicht alle Reizarten an den genannten Akupunkturpunkten eine ausreichend hohe Erfolgsbilanz. Zudem gilt unter Wissenschaftlern derzeit die Auffassung, die Wirksamkeit der Nadeltherapien stimme mit der Reizstärke überein, wenngleich Details noch im Dunkeln liegen. Die größte Wirksamkeit zeigte sich bislang bei der klassischen (manuellen) Therapie und bei der Elektroakupunktur.
Scheineffekte unter der Lupe
Ein US-amerikanisches Forscherteam stellte die derzeit verfügbaren Reiztechniken auf den Prüfstand und sichtete systematisch deren Wirksamkeit gegen Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkungen von Chemotherapien. Dabei versuchten die Forscher, auch das Potential eventuell vorhandener Placeboeffekte zu bestimmen sowie den zusätzlichen Nutzen, verglichen mit Standardmedikamenten, einzuschätzen. Dazu haben sie insgesamt elf Forschungsarbeiten ausführlich analysiert und die Ergebnisse nun veröffentlicht.
In Übereinstimmung mit den Ergebnissen früherer Analysen kommen die Autoren zu dem Schluss, mit Akupunkturnadeln ließen sich die auf Chemotherapie zurückzuführenden Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen sichtbar senken. Den Forschern zufolge lassen die Ergebnisse zudem vermuten, "härtere" Reizarten, darunter Elektroakupunktur, verglichen mit "weicheren", z.B. Akupressur, könnten wirksamer sein. Offenbar ist das akute Erbrechen jedoch leichter zu unterdrücken als die akute Übelkeit, für die die Autoren nur geringe Änderungen ermitteln konnten.
Zahlreiche Fragen derzeit ohne Antwort
Dennoch bestehen auch weiterhin zahlreiche Schwierigkeiten, besonders bei der klassischen und bei der Elektroakupunktur.
So sehen die Autoren nach wie vor offene Fragen beispielsweise zur notwendigen Dosierung: Ist eine längere Reizung besser als eine kürzere? Birgt eine Reizung an mehreren Punkten mehr Erfolg in sich als die an nur einem Punkt? Und wenn ja, welche Akupunktur sollte im Einzelfall empfohlen werden, die klassische oder eher die Elektroakupunktur?
"An derart komplizierten Schwierigkeiten wird unsere moderne Akupunktur wohl noch eine ganze Weile zu knabbern haben," meint dazu Dr. Bernd Ramme, Pressesprecher der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikulomedizin (DAAAM). "Schließlich", so Ramme weiter, "handelt es sich hier ja nicht um reguläre Symptome einer Erkrankung, sondern um die Folgen eines per sé nicht natürlichen Zustands - eben der Chemotherapie. Hier treffen also mehrere komplexe Szenarien zusammen: die Krebserkrankung, die hoch potente Therapie und in letzter Instanz die Therapie der Therapie. Bevor wir das alles richtig im Griff haben werden, sieht die gesamte Krebstherapie hoffentlich etwas anders aus als heute."
Publisher: DAAAM
Quelle: Ezzo J et al: Acupuncture-point stimulation for chemotherapy-induced nausea and vomiting. J Clin Oncol 2005;23:7188-98.

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